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Von Käse, Schokolade bis zur digitalen Patientenakte?

Im länderübergreifenden Sana Netzwerk Young Professional treffen sich Nachwuchskräfte aus Spitälern, der Industrie und der Sana, um sich über die aktuellen Herausforderungen im Gesundheitsmarkt auszutauschen. Eine spezielle Gruppe von jungen Mitgliedern der Einkaufsgemeinschaft hat sich dabei intensiv mit dem Thema Digitalisierung auseinandergesetzt. Hier ihr zusammengefasster Beitrag zu dem Thema: 

Von Käse, Schokolade bis zur digitalen Patientenakte? Kann Deutschland auch hier was von der Schweiz lernen?

Schweizer Idylle, ruhige Lagen und traumhafte Bergkulissen.

Nicht erst seit der Ricola-Werbung empfinden viele Deutsche die Schweiz als eine Insel der Glückseligkeit mitten in Europa. In der Covid-19-Pandemie hatten die Schweizer schneller den Mut, zurück zum normalen Leben zu kommen. Generell scheinen Strukturen im Gesundheitswesen agiler, digitalisierter und schneller in der Umsetzung zu sein, als im hoch bürokratisierten Deutschland.[1] Ein Beispiel dafür ist – möchte man dem ersten Eindruck glauben – die digitale Patientenakte, an der die Deutschen sich die Zähne ausbeissen. Aber was machen denn die Schweizer anders oder besser als die Deutschen? Schauen wir uns den Sachverhalt mal am Beispiel der digitalen Patientenakte an.

Davor sei einmal geklärt: Was ist die digitale Patientenakte überhaupt? Dafür möchten wir einen Schritt vorher beim Patientenpfad ansetzen:

[2]

Eine Krankengeschichte ist immer hochindividuell. Um hier vom „Gleichen“ zu sprechen, machen wir uns an dieser Stelle das Leben etwas einfacher und zeigen einen Pfad von dem Auftreten des Problems bis hin zur Reha auf. Wo beginnt also der Patientenpfad? Je

nach Notfallcharakter beim Hausarzt oder in der Notaufnahme. Wir gehen nicht vom schlimmsten aus – deswegen lassen wir unseren Patienten „Pauli“ mit Stechen in der Brust und Schmerzen im linken Arm zum Hausarzt gehen. Da der Gesamtzustand als kritisch zu bewerten ist, überweist ihn der Arzt direkt ins Spital um die Ecke. Über die Notaufnahme findet Pauli seinen Weg ins Spital und nach den Untersuchungen direkt seinen Weg auf den Herzkatheter-Messplatz: Herzinfarkt! Heutzutage zum Glück mit Stents behandelbar und nach ein paar Tagen auf Station geht es für einen kurzen Abstecher nach Hause, bevor Pauli sechs Wochen lang in die Reha geht, damit sich durch gezielte Übungen sein Herz etwas erholen kann.

Auf diesem Weg haben wir jetzt viele Beteiligte: Den einweisenden Arzt, Personal in der Notaufnahme, die Krankenversicherung, behandelnde Ärzte im Spital, den Hausarzt und schliesslich das Personal in der Reha-Einrichtung. Die sollten alle bestenfalls die richtigen Informationen zur richtigen Zeit an den richtigen Empfänger weitergeben – heutzutage natürlich digitalisiert. Ich kann ja schliesslich auch mein Post-Paket schon fast weltweit in Echtzeit verfolgen. Den Patienten auch? Dieser Weg wird mit der digitalen Patientenakte verfolgt und soll als zentrales Element einer vernetzten Gesundheitsversorgung[3] dienen. 

Jetzt sehen wir uns doch mal den Ländervergleich an, wo die Schweiz und Deutschland in puncto Patientenakte unterwegs sind:

Die Schweiz.

Seit 2020 erfolgt die schrittweise Einführung des digitalen Patientendossiers (EPD). Estland hat die digitale Patientenakte bereits seit 2008 im Einsatz.[4]

Das EPD hat das Ziel, Informationsaustausch zwischen allen Beteiligten zu ermöglichen. Dabei hat der Schweizer Patient bisher die Hoheit über seine Daten. Konkret: Er kann selbst entscheiden, welche Daten hochgeladen werden. Klingt ja alles ganz gut, aber auch in der liberalen Schweiz kommt man an die ein oder andere Hürde: Organisatorisch müssen die Spitäler Mitglied bei Stammgemeinschaften sein, die EPDs anbieten. Dabei kann es zu regionalen Unterschieden kommen – die eine Stammgemeinschaft bedient den Kanton Zug, die nächste bedient kantonübergreifend – wodurch das EPD bis heute nicht flächendeckend im Einsatz ist. Wie immer spielt auch das Thema Geld eine Rolle: Zwar wurde das EPD mit 30 Mio. Franken bezuschusst, allerdings ist eine nachhaltige Finanzierung nicht sichergestellt. Hinzu kommt, dass die Teilnahme am EPD etwa für vor 2022 niedergelassene Ärzte, Apotheker oder Physiotherapeuten freiwillig ist.[4] Lebt unser Patient Pauli also in der Schweiz, muss er sich vorab über die lokalen Gegebenheiten informieren, um von der EPD tatsächlich zu profitieren.

Wie sieht es in Deutschland aus?

Etwas später als die Schweiz können die Deutschen seit dem 01.01.2021 eine digitale Patientenakte (ePA) über ihre jeweilige Krankenkasse erhalten. Der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sei Dank, können auch in Deutschland alle Patienten über die Inhalte ihrer digitalen Patientenakte mitentscheiden. Typisch Deutsch sind ein paar bürokratische Hürden eingebaut: In der ersten Stufe konnte nur der Patient selbst seine Akte mit Daten füttern. Das Auslesen der ePA ist für Ärzte nur für einen individuellen Konnektor möglich – der natürlich auch kostet. Seit 2023 kommt zusätzlich ein Berechtigungskonzept zum Tragen, welches nach individuellen Beschlüssen Daten freigibt oder nicht. Ist unser Herzinfarkt-Pauli also Deutscher, muss er noch selbst dafür gesorgt haben, dass er eine Patientenakte hat und diese mit Informationen gefüttert ist. Es scheint daher wenig verwunderlich, dass nach wie vor weniger als ein Prozent der gesetzlich Versicherten den digitalen Service nutzen. Abhilfe soll das sogenannte Opt-Out-Prinzip schaffen, wodurch ab Ende 2024 für alle gesetzlich Versicherten eine elektronische Patientenakte automatisch bereitstehen soll. Patient Pauli muss künftig der Anlage einer E-Akte also widersprechen. Innovativ? Weit gefehlt: Österreich praktiziert den Ansatz des Opt-Out-Prinzips bereits seit der Einführung 2016.

Fazit.

Insgesamt sind beide Systeme – sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland – nicht wirklich bei den Patienten angekommen, geschweige denn final ausgereift. Die Anwendung ist unterschiedlich, der Mehrwert nicht flächendeckend erkennbar und die Systematik komplex. Hier gilt wie so oft: Wissen ist Macht. Was ich als mündiger Patient über die Patientenakte freigebe, kann in beiden Ländern selbst entschieden werden.

In beiden Ländern sind noch einige Hürden zu nehmen.

Quellen:

[1] https://www.laenderdaten.info/laendervergleich.php?country1=CHE&country2=DEU, Stand 26.05.2023

[2] https://www.flaticon.com/free-icons/rehabilitation” title=”rehabilitation icons”>Rehabilitation icons created by Flat Icons, Stand 22.06.2023; https://www.flaticon.com/free-icons/patient” title=”patient icons”>Patient icons created by Freepik, Stand 22.06.2023; https://www.flaticon.com/free-icons/muscle-pain” title=”muscle pain icons”>Muscle pain icons created by AomAm, 22.06.2023

[3] https://www.bundesaerztekammer.de/themen/aerzte/digitalisierung/digitale-anwendungen/telematikinfrastruktur/epa, Stand 26.05.2023

[4] http://www.informatik.uni-oldenburg.de/~iug13/pa/index.php/vergleich-mit-anderen-laendern.html, Stand 26.05.2023

[5] Verbreitung des EPD – eHealth Suisse (e-health-suisse.ch), Stand 15.06.2023

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Christoph Thurmaier

Business Development Manager

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